EU vs. Temu: Billig-Schnäppchen unter Verdacht – Droht dem Online-Giganten das Aus?

Die EU-Kommission hat ein formales Verfahren gegen den chinesischen Billig-Onlinehändler Temu eröffnet und macht damit deutlich, dass europäische Standards für Qualität und Verbraucherschutz nicht verhandelbar sind. Der Vorwurf: Temu könnte gegen das EU-Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) verstoßen, indem es nicht ausreichend gegen den Verkauf illegaler oder sogar gefährlicher Produkte vorgeht. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Diese Untersuchung wirft ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, die europäische Behörden und Verbraucher durch eine neue Generation von Online-Marktplätzen erleben.

Verdacht auf Umgehung der Zollfreigrenze

Ein zentrales Problem betrifft das mutmaßliche Umgehen von Zöllen und Abgaben auf importierte Waren. Temu und ähnliche Plattformen sollen von der „150-Euro-Zollfreigrenze“ profitieren, die Warenimporte bis zu diesem Wert zollfrei ermöglicht – eine Regelung, die ursprünglich für private Einfuhrsendungen gedacht war. Doch wie sich zeigt, nutzen einige Online-Marktplätze dieses Schlupfloch systematisch, was die Zollbehörden vor Herausforderungen stellt. Für europäische Händler ergibt sich daraus ein erheblicher Wettbewerbsnachteil: Während sie die üblichen Einfuhrabgaben leisten müssen, können Anbieter wie Temu den Kunden preisgünstigere, zollfreie Produkte bieten. Der Handelsverband Deutschland (HDE) forderte daher, gegen solche Praktiken vorzugehen, um Chancengleichheit im Wettbewerb wiederherzustellen​​.

Produktqualität und Sicherheitsrisiken

Zollfreigrenzen sind jedoch nur ein Teil der Problematik. Der EU-Kommission zufolge stellt Temu auch nicht sicher, dass nur geprüfte und sichere Produkte auf der Plattform erhältlich sind. Wiederholt sollen gesperrte Händler, die bereits für den Verkauf illegaler oder gefährlicher Produkte auffielen, erneut auf der Plattform aufgetaucht sein. Die Kommission äußerte Besorgnis darüber, dass die derzeitigen Kontrollmechanismen bei Temu möglicherweise nicht ausreichen, um Verbraucher zu schützen. Besonders problematisch sind dabei Produktfälschungen und Artikel, die möglicherweise gesundheitsschädlich sein könnten​​.

Gamification: Suchtgefahr durch Belohnungssysteme

Zusätzlich untersucht die EU-Kommission, ob Temus Nutzung von Belohnungssystemen und Gamification-Elementen Käufer zu impulsivem Kaufverhalten verleiten könnte. Diese „Suchtgefahr“ sei insbesondere in Verbindung mit stark vergünstigten Preisen und ständigen Rabattaktionen nicht zu unterschätzen. Solche Mechanismen könnten Nutzer dazu animieren, mehr zu kaufen, als sie tatsächlich benötigen, was negative Folgen für das finanzielle und mentale Wohlbefinden der Konsumenten haben könnte​​.

Die Antwort von Temu und die EU-Strategie

Temu zeigt sich kooperationsbereit und betont, dass das Unternehmen eng mit den europäischen Behörden zusammenarbeiten werde, um die Plattform sicher und vertrauenswürdig zu gestalten. Doch die EU-Kommission bleibt skeptisch und möchte weitere Beweise sammeln, um sicherzustellen, dass Temu tatsächlich alle nötigen Sorgfaltspflichten gemäß dem DSA einhält. Dies betrifft unter anderem umfassende Maßnahmen zur Eindämmung illegaler Angebote auf der Plattform und die Gewährleistung, dass die angebotenen Produkte den EU-Standards entsprechen.

Diese Untersuchung reiht sich in eine Serie ähnlicher Verfahren gegen Plattformen wie X (ehemals Twitter), TikTok und AliExpress ein. Die EU zeigt damit, dass sie sich in der Pflicht sieht, digitale Sorgfaltspflichten durchzusetzen, um europäischen Verbrauchern ein Mindestmaß an Sicherheit und Fairness zu bieten​​.

Wirtschaftsstrategische Dimensionen und politische Spannungen

Das Verfahren gegen Temu kommt inmitten zunehmender wirtschaftspolitischer Spannungen zwischen der EU und China. Erst kürzlich wurden EU-Zusatzzölle auf chinesische Elektrofahrzeuge eingeführt, um eine Reaktion auf aggressive Preisstrategien zu setzen, die europäische Anbieter belasten. Während Deutschland gegen diese Maßnahme stimmte – aus Sorge vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen Chinas gegen deutsche Produkte – war die Mehrheit der EU-Staaten dafür. In diesem Umfeld wird das Verfahren gegen Temu auch als Zeichen einer härteren Linie gegenüber asiatischen Online-Händlern gesehen, die europäische Marktstandards umgehen und durch steuerliche Schlupflöcher einen unfairen Wettbewerbsvorteil genießen könnten​.

Fazit: Ein Weg zu mehr Transparenz und Fairness im digitalen Handel

Das Verfahren gegen Temu unterstreicht die klare Zielrichtung der EU-Kommission: Sie wird auch in Zukunft gegen Marktplätze vorgehen, die Verbraucherrechte, Qualität und Transparenz zu leichtfertig behandeln. Plattformen, die nicht nur durch aggressive Preissetzung, sondern auch durch das Umgehen von Zöllen und laxen Umgang mit Sicherheitsstandards auffallen, müssen mit Konsequenzen rechnen. Die EU möchte sicherstellen, dass digitale Marktplätze für die europäischen Verbraucher nicht nur günstig, sondern vor allem sicher und fair sind. Dies ist eine Lektion, die alle digitalen Akteure auf dem europäischen Markt ernst nehmen sollten.

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