Hunderttausende Sendungen aus China gelangen täglich nach Deutschland, vor allem über Plattformen wie Temu und Shein. Stichproben haben ergeben, dass viele davon mit einem zu niedrigen Warenwert angegeben werden. Warum? Die Versender wollen die Einfuhrumsatzsteuer von 19 Prozent und Zollabgaben sparen. Der ehemalige Finanzstaatssekretär Michael Meister von der CDU wirft dem Bundesfinanzministerium vor, zu wenig gegen den Zoll- und Steuerbetrug bei Sendungen aus China zu unternehmen. Dies gehe aus mehreren Schreiben Meisters an das Ministerium hervor, die der WirtschaftsWoche vorliegen.
Beim deutschen Zoll arbeiten mehr als 40.000 Beamt:innen, doch für die Kontrolle von Importgütern ist nur ein kleiner Teil zuständig. Ein weiteres Problem: Ein Großteil der Sendungen gelangt über ausländische Flughäfen, etwa Lüttich in Belgien, nach Deutschland. Damit sind dem deutschen Zoll in vielen Fällen die Hände gebunden, denn Ware, die bereits in der EU angekommen ist, darf nicht mehr kontrolliert werden.
Deutschland gehen Milliardenbeträge verloren
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Meister fordert dennoch ein rasches Handeln. Die Bundesregierung müsse „mit allen Mitteln zügig und gezielt gegen mutmaßliche Steuertricksereien chinesischer Onlinehändler vorgehen“, so Meister. Durch nicht gezahlte Zölle und Einfuhrumsatzsteuern gehe Deutschland ein zweistelliger Milliardenbetrag verloren, erklärt Meister. 2023 seien mehr als 2,3 Milliarden Artikel aus China in die EU versendet worden, die unter die Zollfreigrenze von 150 Euro fallen. 65 Prozent davon sollen mit einem zu geringen Wert deklariert worden sein.
Durch Temu und Shein, die in diesem Jahr massiv Marktanteile in Deutschland gewonnen haben, ist das Problem noch gewachsen. Meister fordert eine dringende Reformierung des EU-Zollrechts. Diese ist bereits in Arbeit, soll aber erst 2028 kommen. Manches soll sogar erst bis 2036 umgesetzt werden. Und das FDP-geführte Finanzministerium tut offenbar wenig, um die Reform anzutreiben.
FDP verweist auf hohen Aufwand einer Zollreform
Finanzstaatssekretärin Katja Hessel erklärt auf Anfrage von Michael Meister, dass die Zollreform ein komplexes Regelungspaket sei. Schon jetzt seien Übergangsfristen knapp bemessen und „möglicherweise nicht ausreichend“. Die Absenkung der 150-Euro-Freigrenze, die ebenfalls diskutiert wird, sei auch nicht so einfach umzusetzen. Warensendungen von Temu und anderen Portalen unterlaufen die Grenze oft durch das Aufsplitten von Bestellungen. Bei einer Senkung der Zollwertgrenze müssten auch „der Aufwand für die Erhebung zusätzlicher Zölle und der Nutzen in einem angemessenen Verhältnis stehen“.
Temu im Aufwind
Von solcherlei bürokratischen Hürden scheinen sich die Kunden der Plattformen nur wenig beeindrucken zu lassen. Temu, ein relativ neuer Akteur auf dem deutschen Markt, erfreut sich wachsender Beliebtheit. Laut aktuellem Stand wurde die Temu-App weltweit mehr als 50 Millionen Mal heruntergeladen, mit deutlichem Wachstum in Europa. Der aggressive Expansionskurs von Temu hat den Versand nach Deutschland massiv beschleunigt und vereinfacht, was die Probleme des Zolls zusätzlich verkompliziert.
Man muss hierbei nicht vergessen, dass der Online-Handel aus China neben günstigen Preisen auch zahlreiche Risiken birgt, darunter Produktqualität und -sicherheit. Umso wichtiger ist eine sorgfältige Qualitätskontrolle und die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben. Temu und ähnliche Plattformen bieten eine unglaubliche Vielfalt an Produkten an, doch nicht alle halten einer genauen Überprüfung stand. Viele der von Temu angebotenen Artikel könnten ohne eine strenge Kontrolle den europäischen Standards nicht entsprechen, insbesondere wenn es um Sicherheit und Produkt-Compliance geht.
Der Druck auf den Finanzminister und die zuständigen Behörden nimmt daher zu. Es wird zunehmend klar, dass ohne eine grundlegende Reform des Zollrechts die Probleme und Verluste weiter ansteigen werden. Bis dahin bleibt die Herausforderung, wie mit verkauften Waren umzugehen ist, die nicht den erforderlichen Produkt-Sourcing-Methoden unterliegen und somit auch die Verbrauchersicherheit gefährden können.